Weihnachten, das Fest der Liebe, der Familie und des Lichts, scheint in vielen Teilen der Welt ein universelles Phänomen zu sein. Die Bilder von geschmückten Bäumen, festlichen Märkten und fröhlichen Gesichtern prägen die Vorweihnachtszeit in unzähligen Ländern. Doch ist dieses Bild wirklich global? Die Antwort ist ein klares Nein. Weit über die Hälfte der Weltbevölkerung feiert Weihnachten, wie wir es in westlichen Kulturen kennen, nicht. Die Gründe dafür sind vielfältig und tief in religiösen, kulturellen, historischen und politischen Gegebenheiten verwurzelt. Eine Reise um den Globus offenbart eine faszinierende Vielfalt an Traditionen und Festen, die weit entfernt von den bekannten Weihnachtsklängen liegen.
Die Dominanz des Islam: Eine andere Zeitrechnung, andere Feste
In einer Vielzahl von Ländern, in denen der Islam die vorherrschende Religion ist, spielt Weihnachten keine Rolle als offizieller Feiertag. Der islamische Kalender, der auf dem Mondzyklus basiert, unterscheidet sich grundlegend vom gregorianischen Kalender, der für die Berechnung des Weihnachtsfestes maßgeblich ist. Für Muslime sind die wichtigsten Feste das Opferfest (Eid al-Adha) und das Fest des Fastenbrechens (Eid al-Fitr), die nach dem islamischen Kalender gefeiert werden und sich daher jedes Jahr im gregorianischen Kalender verschieben.
Länder wie Saudi-Arabien, Iran, Afghanistan, Jemen, Oman, Katar, Kuwait, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und viele andere im Nahen Osten und Nordafrika erkennen Weihnachten nicht als staatlichen Feiertag an. In Saudi-Arabien beispielsweise, wo eine sehr konservative Auslegung des Islam praktiziert wird, sind öffentliche Weihnachtsfeiern oder das Zeigen von Weihnachtssymbolen streng verboten. Auch in Ländern wie der Türkei, obwohl sie säkularer ausgerichtet ist, oder in Ägypten, wo eine bedeutende christliche Minderheit (Kopten) Weihnachten am 7. Januar feiert, ist der 25. Dezember kein gesetzlicher Feiertag für die Mehrheitsbevölkerung.
Selbst in Ländern mit großen muslimischen Bevölkerungen in Südostasien, wie Indonesien (das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit) und Malaysia, ist Weihnachten kein nationales Fest. Zwar gibt es in diesen Ländern christliche Minderheiten, die Weihnachten feiern, und in größeren Städten sind oft weihnachtliche Dekorationen in Einkaufszentren zu sehen, doch für die Mehrheit der Bevölkerung hat das Fest keine religiöse oder kulturelle Bedeutung. Die Dekorationen dienen eher kommerziellen Zwecken oder als Ausdruck einer globalisierten Konsumkultur.
Asien: Zwischen Buddhismus, Hinduismus und säkularen Traditionen
Asien, der größte Kontinent der Erde, ist ein Mosaik aus Religionen und Kulturen, in dem Weihnachten in vielen Regionen unbekannt ist oder nur eine marginale Rolle spielt.
In Indien, einem Land mit einer überwältigenden hinduistischen Mehrheit, ist Weihnachten kein nationales Fest. Die wichtigsten Feiertage sind hier Diwali (das Lichterfest), Holi (das Farbenfest) und Dussehra. Obwohl Indien eine der größten christlichen Bevölkerungen Asiens beherbergt, die Weihnachten mit großer Inbrunst feiert, bleibt es für die Mehrheit der Hindus, Muslime, Sikhs und Buddhisten ein gewöhnlicher Tag.
Ähnlich verhält es sich in vielen buddhistisch geprägten Ländern Südostasiens. In Thailand, Laos, Kambodscha, Myanmar und Vietnam sind die wichtigsten Feste der Neujahrstag nach dem jeweiligen Mondkalender (z.B. Songkran in Thailand) und verschiedene buddhistische Feiertage wie Visakha Bucha (Buddhas Geburtstag). Weihnachtliche Dekorationen in Touristengebieten oder großen Städten sind oft ein Zugeständnis an den Tourismus und die westliche Konsumkultur, ohne tiefere kulturelle Verankerung.
Japan ist ein interessanter Fall. Obwohl nur etwa 1% der Bevölkerung Christen sind, hat sich Weihnachten hier zu einem kommerziellen Phänomen entwickelt. Der 25. Dezember ist kein Feiertag, und die religiöse Bedeutung des Festes ist weitgehend unbekannt. Stattdessen ist es ein Tag für Paare, die romantische Abendessen genießen, und für Familien, die gebratenes Hähnchen (oft von Kentucky Fried Chicken) essen – eine skurrile, aber fest etablierte Tradition. Die Zeit um Weihnachten ist jedoch eng mit den Vorbereitungen für das wichtigere Neujahrsfest (Shogatsu) verbunden, das das wichtigste Familienfest des Jahres ist.
In China, wo die Kommunistische Partei offiziell atheistisch ist und traditionelle Feste wie das Frühlingsfest (Chinesisches Neujahr) im Vordergrund stehen, ist Weihnachten ebenfalls kein offizieller Feiertag. Wie in Japan hat es jedoch in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Kommerzialisierung erfahren, insbesondere in größeren Städten. Einkaufszentren sind geschmückt, und junge Menschen tauschen Geschenke aus, aber die religiöse Bedeutung ist fast vollständig abwesend. Es wird eher als eine Gelegenheit zum Konsum und zur Geselligkeit wahrgenommen.
Der Staat Israel: Jüdische Traditionen im Vordergrund
Im Staat Israel, der Wiege des Christentums, aber dem einzigen mehrheitlich jüdischen Staat der Welt, wird Weihnachten nicht als nationaler Feiertag gefeiert. Die jüdische Bevölkerung feiert stattdessen Hanukkah, das Lichterfest, das oft in die gleiche Zeit wie Weihnachten fällt. Obwohl Bethlehem, der Geburtsort Jesu, in den Palästinensischen Autonomiegebieten liegt und dort von der christlichen Bevölkerung Weihnachten gefeiert wird, ist der 25. Dezember für die Mehrheit der Israelis ein normaler Arbeitstag. Die christlichen Minderheiten in Israel feiern Weihnachten natürlich, aber es ist kein Feiertag für das gesamte Land.
Länder mit orthodoxer Mehrheit: Eine zeitliche Verschiebung
Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen Ländern, in denen Weihnachten gar nicht gefeiert wird, und solchen, in denen es zu einem anderen Zeitpunkt gefeiert wird. Viele orthodoxe Kirchen, darunter die russisch-orthodoxe, serbisch-orthodoxe, äthiopisch-orthodoxe und georgisch-orthodoxe Kirche, folgen dem Julianischen Kalender. Dies bedeutet, dass Weihnachten für sie nicht am 25. Dezember, sondern am 7. Januar gefeiert wird.
Länder wie Russland, Ukraine, Serbien, Äthiopien, Georgien und Ägypten (Kopten) haben daher ihre Weihnachtsfeiern in den Januar verlegt. Für die Mehrheitsbevölkerung dieser Länder ist der 25. Dezember ein gewöhnlicher Tag, während der 7. Januar ein wichtiger religiöser Feiertag ist. Dies ist keine Ablehnung des Weihnachtsfestes an sich, sondern eine Frage der Kalenderrechnung und Tradition.
Atheistische und säkulare Staaten: Historische und politische Gründe
In einigen Staaten, die historisch oder politisch stark säkular oder atheistisch geprägt sind, spielt Weihnachten ebenfalls keine Rolle als Feiertag. Das extremste Beispiel ist Nordkorea, wo jegliche religiöse Praxis, die nicht vom Staat kontrolliert wird, unterdrückt wird. Weihnachten ist dort nicht nur kein Feiertag, sondern seine Feierlichkeiten sind für die Bevölkerung de facto verboten.
In der ehemaligen Sowjetunion wurde Weihnachten während der kommunistischen Ära weitgehend unterdrückt und durch säkulare Feste wie das Neujahrsfest mit Väterchen Frost ersetzt. Obwohl sich dies in vielen Nachfolgestaaten geändert hat (oft wird der 7. Januar als orthodoxes Weihnachten gefeiert), sind die Spuren dieser säkularen Vergangenheit noch immer sichtbar.
Die Rolle der Globalisierung und Kommerzialisierung
Trotz der Tatsache, dass Weihnachten in vielen Teilen der Welt nicht gefeiert wird, hat die Globalisierung dazu geführt, dass Weihnachtssymbole und -bräuche zunehmend auch in nicht-christliche Länder vordringen. Weihnachtslieder im Radio, festliche Dekorationen in Einkaufszentren und das Angebot von Geschenkartikeln sind Phänomene, die man heute selbst in muslimischen oder buddhistischen Ländern beobachten kann.
Dies ist jedoch selten ein Zeichen für eine religiöse oder kulturelle Akzeptanz des Weihnachtsfestes. Vielmehr handelt es sich um eine Form der Kommerzialisierung und der Übernahme westlicher Konsumgewohnheiten. Der "Geist der Weihnacht" wird hier oft von seiner religiösen Bedeutung entkoppelt und als eine allgemeine festliche Saison oder als Marketinginstrument genutzt, um den Konsum anzukurbeln. Für die Einheimischen ist es oft eine Kuriosität oder eine nette Dekoration, die keine tiefere persönliche Bedeutung hat.
Fazit: Eine Welt der Vielfalt
Die Vorstellung, dass Weihnachten ein universelles Fest ist, wird durch die Realität widerlegt. Eine beträchtliche Anzahl von Ländern und Kulturen feiert Weihnachten nicht, sei es aus religiösen Gründen (Islam, Buddhismus, Hinduismus, Judentum), aufgrund historischer oder politischer Entwicklungen (säkulare oder atheistische Staaten) oder einfach, weil ihre eigenen, tief verwurzelten Traditionen und Feste im Vordergrund stehen.
Diese Vielfalt ist keine Ablehnung, sondern eine Bereicherung. Sie erinnert uns daran, dass die Welt reich an unterschiedlichen Glaubenssystemen, Bräuchen und Feiertagen ist. Während wir im Westen Weihnachten feiern, zelebrieren andere Kulturen ihre eigenen Feste des Lichts, der Familie, der Ernte oder des Neuanfangs. Das Verständnis und der Respekt für diese unterschiedlichen Traditionen sind entscheidend, um die Komplexität und Schönheit unserer globalen Gesellschaft wirklich zu erfassen. Weihnachten ist ein wunderbares Fest, aber es ist eben nur eines von vielen, die das menschliche Bedürfnis nach Gemeinschaft, Besinnung und Freude auf vielfältige Weise erfüllen.