Weihnachten in Frankreich ist eine faszinierende Mischung aus tief verwurzelten Traditionen, opulenten kulinarischen Genüssen und einer zutiefst familiären Atmosphäre. Während einige Bräuche Ähnlichkeiten mit denen anderer europäischer Länder aufweisen, besitzt die französische Weihnacht, bekannt als „Noël“, ihren ganz eigenen Charme und ihre Besonderheiten. Sie ist geprägt von regionalen Unterschieden, einer starken Betonung des Essens und der Geselligkeit, aber auch von Momenten der Besinnlichkeit und des Glaubens. Für viele Franzosen ist die Weihnachtszeit eine der wichtigsten im Jahr, eine Gelegenheit, die Familie zu versammeln, die Freuden des Lebens zu teilen und die kalte Jahreszeit mit Wärme und Licht zu erfüllen.
Die Vorweihnachtszeit beginnt in Frankreich, wie in vielen Ländern, mit dem Advent, obwohl der Adventskalender nicht überall die gleiche zentrale Rolle spielt wie beispielsweise in Deutschland. Stattdessen konzentriert sich die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Dekoration der Häuser und Städte. Überall funkeln Lichterketten, Schaufenster werden festlich geschmückt, und die Straßen der Städte verwandeln sich in ein Winterwunderland. Eine besondere Attraktion sind die „Marchés de Noël“, die Weihnachtsmärkte, die vor allem im Elsass eine lange und reiche Tradition haben. Städte wie Straßburg, Colmar oder Riquewihr sind berühmt für ihre malerischen Märkte, die Besucher aus aller Welt anziehen. Hier findet man handwerkliche Produkte, regionale Spezialitäten wie „Bredele“ (elsässische Weihnachtsplätzchen), Glühwein und eine einzigartige, fast märchenhafte Atmosphäre, die an die deutsch-französische Kulturgeschichte erinnert.
Ein zentrales Element der französischen Weihnachtsdekoration ist der „Sapin de Noël“, der Weihnachtsbaum, der oft mit Kugeln, Girlanden und Lichtern geschmückt wird. Doch noch wichtiger als der Baum ist für viele Franzosen die „Crèche“, die Weihnachtskrippe. Sie ist in fast jedem Haushalt zu finden und wird oft liebevoll mit „Santons“ – kleinen, handbemalten Terrakottafiguren – bestückt. Diese Figuren stellen nicht nur die Heilige Familie dar, sondern auch eine Vielzahl von Charakteren aus dem Dorfleben, wie Bäcker, Fischer, Schäfer oder Marktfrauen, die alle auf dem Weg zur Krippe sind. Besonders in der Provence ist die Tradition der Santons tief verwurzelt und ein wichtiger Bestandteil des Weihnachtsfestes, der die Geburt Christi in einen lokalen, volkstümlichen Kontext einbettet.
Der Höhepunkt der französischen Weihnacht ist zweifellos der „Réveillon de Noël“, das Festmahl am Heiligen Abend, dem 24. Dezember. Dies ist nicht nur ein einfaches Abendessen, sondern ein opulentes, oft stundenlanges Bankett, das die Familie und enge Freunde zusammenbringt. Im Gegensatz zu einigen anderen Kulturen, in denen der Weihnachtstag selbst der Hauptfeiertag ist, liegt in Frankreich der Fokus stark auf diesem festlichen Abend. Die Speisen sind sorgfältig ausgewählt und zubereitet, oft luxuriös und reichhaltig.
Das Réveillon-Menü variiert regional, aber einige Klassiker finden sich auf fast jedem Tisch. Dazu gehören Austern („huîtres“), geräucherter Lachs („saumon fumé“) und natürlich die berühmte Gänseleberpastete („foie gras“), die oft mit Feigenkonfitüre oder geröstetem Brot serviert wird. Der Hauptgang ist traditionell eine gefüllte Pute („dinde aux marrons“) mit Maronen oder eine Kapaun. Auch Wildgerichte oder Meeresfrüchte wie Hummer können auf dem Speiseplan stehen. Begleitet wird das Mahl von edlen Weinen und reichlich Champagner, der zu den Feierlichkeiten einfach dazugehört.
Nach dem herzhaften Hauptgang folgt das Dessert, das oft der krönende Abschluss des Réveillon ist: die „Bûche de Noël“, ein Baumstammkuchen. Dieser traditionelle Kuchen, der meist aus einer Biskuitrolle mit einer cremigen Füllung besteht und mit Schokolade oder Marzipan verziert wird, soll an den Baumstamm erinnern, der früher im Kamin verbrannt wurde, um Wärme und Licht in die dunkelste Zeit des Jahres zu bringen. Die Bûche de Noël gibt es in unzähligen Geschmacksrichtungen und Variationen, von klassischen Schokoladen- oder Kaffeearomen bis hin zu modernen Kreationen mit exotischen Früchten oder Eis.
Für gläubige Familien schließt sich an das Réveillon oft der Besuch der Mitternachtsmesse („Messe de Minuit“) an. Viele Kirchen sind prachtvoll geschmückt, und die Messe ist ein feierlicher und besinnlicher Höhepunkt, der die spirituelle Bedeutung von Weihnachten unterstreicht. Nach der Messe kehren die Familien oft nach Hause zurück, um die letzten Momente des Heiligen Abends zu genießen, bevor der Weihnachtstag anbricht.
Der Weihnachtstag, der 25. Dezember, ist in Frankreich eher ein Tag der Entspannung und des familiären Beisammenseins. Die Kinder finden ihre Geschenke, die der „Père Noël“ (der französische Weihnachtsmann) in der Nacht gebracht hat, oft unter dem Weihnachtsbaum oder in Socken, die am Kamin hängen. Die Bescherung findet in der Regel am Morgen des 25. statt, im Gegensatz zu Deutschland, wo sie oft schon am Abend des 24. erfolgt. Nach dem Auspacken der Geschenke und einem gemütlichen Frühstück oder Brunch versammelt sich die Familie oft erneut zu einem leichteren, aber immer noch festlichen Mittagessen, das oft aus den Resten des Réveillon-Mahls oder einfacheren, aber ebenso köstlichen Gerichten besteht. Der Rest des Tages ist der Gemütlichkeit, Spielen, Spaziergängen und dem Genießen der gemeinsamen Zeit gewidmet.
Regionale Besonderheiten prägen die französische Weihnachtstradition zusätzlich. Wie bereits erwähnt, sind die Weihnachtsmärkte im Elsass ein Muss, und die elsässische Küche bietet während der Weihnachtszeit eine Fülle von Spezialitäten wie „Pain d’épices“ (Lebkuchen) und die erwähnten Bredele. In der Provence ist die Tradition der „Treize Desserts“ (dreizehn Desserts) am Heiligen Abend besonders ausgeprägt. Diese dreizehn Süßspeisen, die nach dem Réveillon serviert werden, symbolisieren Christus und die zwölf Apostel und umfassen eine Mischung aus Trockenfrüchten (Datteln, Feigen, Rosinen), Nüssen (Walnüsse, Mandeln), frischen Früchten, Nougat, Gebäck wie „Pompe à l’huile“ (ein Olivenöl-Brot) und oft auch Quittenpaste. Jedes Dessert hat seine eigene Bedeutung und wird in einer bestimmten Reihenfolge gegessen.
Auch in anderen Regionen gibt es spezifische Bräuche. In der Bretagne beispielsweise spielen Meeresfrüchte eine noch größere Rolle, und in einigen ländlichen Gebieten werden noch alte Lieder und Tänze gepflegt. Korsika hat ebenfalls seine eigenen Weihnachtstraditionen, die oft von der inseltypischen Kultur und Geschichte geprägt sind.
Nach dem Weihnachtstag ist das Fest in Frankreich noch nicht ganz vorbei. Die Weihnachtszeit erstreckt sich traditionell bis zum Dreikönigstag, dem 6. Januar, bekannt als „Épiphanie“. An diesem Tag wird in Frankreich die „Galette des Rois“ (Königskuchen) gegessen, ein Blätterteigkuchen, der oft mit einer Mandelcreme („Frangipane“) gefüllt ist. Im Kuchen ist eine kleine Porzellanfigur, die „fève“, versteckt. Wer die fève in seinem Stück findet, wird für den Tag zum König oder zur Königin gekrönt und darf eine Krone tragen. Diese Person ist dann oft dafür verantwortlich, die nächste Galette des Rois zu kaufen. Es ist eine charmante Tradition, die die festliche Stimmung über die eigentlichen Weihnachtstage hinaus verlängert und einen fröhlichen Abschluss der Feiertage bildet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Weihnachten in Frankreich ein Fest der Sinne ist. Es ist eine Zeit, in der die Familie im Mittelpunkt steht, in der die kulinarischen Genüsse zelebriert werden und in der alte Traditionen mit neuem Leben erfüllt werden. Von den stimmungsvollen Weihnachtsmärkten im Elsass über das opulente Réveillon-Mahl mit seinen unzähligen Köstlichkeiten bis hin zur gemütlichen Bescherung am Morgen des 25. Dezembers und der fröhlichen Galette des Rois im Januar – die französische Weihnacht ist reich an Vielfalt und Charme. Sie bietet eine einzigartige Mischung aus Besinnlichkeit und Lebensfreude, die Besucher und Einheimische gleichermaßen in ihren Bann zieht und die kalte Jahreszeit mit Wärme, Licht und unvergesslichen Momenten erfüllt. Es ist ein Fest, das die französische „Art de Vivre“ – die Kunst zu leben – in ihrer schönsten Form widerspiegelt.