Weihnachten in Deutschland ist weit mehr als nur ein Feiertag; es ist eine tief verwurzelte Zeit der Besinnlichkeit, der Vorfreude und des Zusammenkommens, die von einer Fülle an Bräuchen und Ritualen geprägt ist. Von den ersten Anzeichen des Advents bis zu den stillen Tagen nach Heiligabend entfaltet sich ein Reigen an deutschen Traditionen zu Weihnachten, die das Land in einen magischen Glanz tauchen und Generationen miteinander verbinden. Diese Traditionen sind nicht nur Ausdruck religiöser Überzeugungen, sondern auch Zeugnisse regionaler Eigenheiten, historischer Entwicklungen und des tiefen menschlichen Bedürfnisses nach Gemeinschaft und Geborgenheit.
Die Weihnachtszeit beginnt in Deutschland nicht erst am 24. Dezember, sondern bereits mit dem ersten Advent, der den Auftakt zu einer vierwöchigen Phase der Vorbereitung und Erwartung bildet. Der Adventskranz ist hierbei ein zentrales Symbol. Er besteht aus Tannenzweigen, oft mit roten Bändern und Kugeln geschmückt, und trägt vier Kerzen. Jede Woche wird eine weitere Kerze angezündet, was das fortschreitende Näherkommen des Weihnachtsfestes symbolisiert und eine Atmosphäre der Ruhe und des Wartens schafft. Das gemeinsame Anzünden der Kerzen, oft begleitet von Weihnachtsliedern und Plätzchen, ist ein fester Bestandteil vieler Familienrituale. Parallel dazu erfreut der Adventskalender besonders die Kinder. Hinter 24 Türchen verbergen sich kleine Überraschungen, Schokolade oder Bilder, die die Tage bis Heiligabend zählen und die Vorfreude täglich neu entfachen.
Ein unverzichtbarer Bestandteil der Vorweihnachtszeit sind die Weihnachtsmärkte, die in fast jeder deutschen Stadt und vielen kleineren Gemeinden ab Ende November ihre Pforten öffnen. Sie sind ein Fest für die Sinne: Der Duft von Glühwein, gebrannten Mandeln, Lebkuchen und Bratwürsten liegt in der Luft, unzählige Lichterketten und Sterne tauchen die Stände in einen warmen Glanz, und aus Lautsprechern erklingen Weihnachtslieder. Weihnachtsmärkte sind Orte der Begegnung, des Bummelns und des Entdeckens. Hier findet man handgefertigte Geschenke, traditionelles Kunsthandwerk wie erzgebirgische Holzschnitzereien und Christbaumschmuck. Der Besuch eines Weihnachtsmarktes ist für viele Deutsche ein jährliches Ritual, das die festliche Stimmung einläutet und die Gemeinschaft pflegt.
Am 6. Dezember wird der Nikolaustag gefeiert. Am Vorabend stellen Kinder ihre geputzten Stiefel oder Schuhe vor die Tür, in der Hoffnung, dass der Heilige Nikolaus sie über Nacht mit kleinen Geschenken, Süßigkeiten, Nüssen und Obst füllt. In einigen Regionen wird der Nikolaus von furchteinflößenden Gestalten wie Knecht Ruprecht oder Krampus begleitet, die unartige Kinder ermahnen sollen – eine Tradition, die jedoch in ihrer Härte regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist und oft nur noch symbolischen Charakter hat.
Das Weihnachtsbacken ist eine weitere geliebte Tradition. Familien versammeln sich in der Küche, um gemeinsam Plätzchen zu backen. Sorten wie Zimtsterne, Vanillekipferl, Spekulatius und Ausstecherle sind Klassiker, deren Duft das ganze Haus erfüllt. Das Backen ist nicht nur eine kulinarische, sondern auch eine soziale Aktivität, die das Miteinander stärkt und oft Kindheitserinnerungen weckt. Auch der Christstollen, ein schweres Hefegebäck mit Trockenfrüchten und Marzipan, ist ein traditioneller Bestandteil der deutschen Weihnachtsbäckerei, dessen Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen.
Die musikalische Untermalung spielt eine große Rolle in den deutschen Traditionen zu Weihnachten. Weihnachtslieder wie "Stille Nacht, heilige Nacht", "O Tannenbaum" oder "Alle Jahre wieder" werden nicht nur auf Weihnachtsmärkten und im Radio gespielt, sondern auch zu Hause gesungen, oft begleitet von einem Klavier oder einer Gitarre. Das gemeinsame Singen schafft eine besonders warme und besinnliche Atmosphäre und ist ein Ausdruck der festlichen Freude.
Der Höhepunkt der deutschen Weihnachtsfeierlichkeiten ist der Heiligabend am 24. Dezember. Dieser Tag ist traditionell der Familie gewidmet und steht im Zeichen der Bescherung. Am Nachmittag wird oft der Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt. Der Tannenbaum, der ursprünglich aus Deutschland stammt, ist das zentrale Symbol des Festes. Er wird mit Lichterketten, Kerzen (manchmal noch echten Wachskerzen, die jedoch ein Sicherheitsrisiko darstellen), Glaskugeln, Lametta und selbstgemachtem Schmuck verziert. Unter dem Baum werden die Geschenke platziert, die entweder vom Christkind (einer engelhaften Figur, die vor allem im Süden Deutschlands und in katholischen Gebieten verbreitet ist) oder vom Weihnachtsmann (der eher im Norden und in protestantischen Gebieten populär ist) gebracht werden.
Das Weihnachtsessen am Heiligabend variiert regional stark, ist aber fast immer ein wichtiger Bestandteil des Abends. In vielen Familien ist ein einfaches Gericht wie Kartoffelsalat mit Würstchen Tradition, um den Fokus nicht auf ein aufwendiges Mahl, sondern auf die Bescherung und die Besinnlichkeit zu legen. In anderen Regionen oder an den Weihnachtsfeiertagen selbst sind jedoch auch opulenter Gerichte üblich: Der Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen ist ein klassisches Festtagsgericht, ebenso wie Karpfen in vielen süddeutschen und ostdeutschen Regionen. Das gemeinsame Essen ist ein Moment des Zusammenkommens, des Austauschs und des Genießens.
Nach dem Essen oder manchmal auch davor findet die Bescherung statt. Oft wird dabei ein Glockenzeichen gegeben, das die Ankunft des Christkinds oder Weihnachtsmanns signalisiert. Die Kinder stürmen zum Baum, um ihre Geschenke zu entdecken. Das Auspacken der Geschenke ist ein Moment großer Freude und Aufregung, gefolgt von der Bewunderung der neuen Spielzeuge und Präsente. Viele Familien lesen vor der Bescherung die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor oder singen gemeinsam Weihnachtslieder, um den religiösen Ursprung des Festes zu ehren.
Für viele gläubige Familien ist der Besuch der Christmette in der Kirche am späten Heiligabend oder in der Nacht zum 25. Dezember ein fester Bestandteil der Tradition. Diese Gottesdienste sind oft besonders feierlich gestaltet, mit Chorgesang, Krippenspielen und einer festlichen Atmosphäre, die die Geburt Jesu Christi zelebriert.
Die Weihnachtsfeiertage am 25. und 26. Dezember sind in Deutschland gesetzliche Feiertage und werden oft genutzt, um weitere Familienmitglieder zu besuchen, ausgiebige Festessen zu genießen und die gemeinsame Zeit zu verbringen. Es ist eine Zeit der Entspannung, des Spazierengehens in der winterlichen Natur und des Genießens der ruhigen Atmosphäre nach der Aufregung des Heiligabends. Oft werden an diesen Tagen die Reste des Festtagsbratens verzehrt oder neue, ebenfalls traditionelle Gerichte zubereitet.
Die deutschen Traditionen zu Weihnachten sind jedoch nicht statisch; sie entwickeln sich weiter und passen sich den modernen Lebensweisen an. Während einige Bräuche an Bedeutung verlieren oder kommerzialisiert werden, bleiben andere Kernwerte wie die Familie, die Besinnlichkeit und die Gemeinschaft bestehen. Regionale Unterschiede prägen die Vielfalt der Bräuche zusätzlich: So ist beispielsweise der Brauch des "Christbaumsingens" in einigen Regionen verbreitet, bei dem Familien von Haus zu Haus ziehen und Weihnachtslieder singen, während in anderen Gegenden "Krippenspiele" eine größere Rolle spielen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die deutschen Traditionen zu Weihnachten ein reiches und vielfältiges Geflecht aus Bräuchen, Symbolen und Ritualen bilden, die tief in der Kultur und Geschichte des Landes verwurzelt sind. Von der erwartungsvollen Adventszeit mit ihren Kränzen und Kalendern über die lebhaften Weihnachtsmärkte und das gemeinsame Backen bis hin zum Höhepunkt des Heiligabends mit dem geschmückten Baum, der Bescherung und dem festlichen Essen – jede Facette trägt dazu bei, eine einzigartige Atmosphäre der Wärme, des Friedens und der Freude zu schaffen. Diese Traditionen sind mehr als nur alte Gewohnheiten; sie sind lebendige Ausdrucksformen von Werten wie Familie, Gemeinschaft, Besinnlichkeit und Nächstenliebe, die das Weihnachtsfest in Deutschland zu einer wahrhaft magischen Zeit machen. Sie erinnern uns daran, innezuhalten, das Miteinander zu schätzen und die Magie dieser besonderen Jahreszeit zu genießen.