Weihnachten in Deutschland ist weit mehr als nur ein religiöses Fest; es ist eine tief verwurzelte kulturelle Institution, die das Land in eine Zeit der Besinnlichkeit, der Vorfreude und des familiären Miteinanders taucht. Von den ersten Anzeichen der Adventszeit bis zum Dreikönigstag am 6. Januar prägen unzählige Bräuche, Rituale und kulinarische Genüsse die Feiertage und schaffen eine einzigartige Atmosphäre, die sowohl Einheimische als auch Besucher gleichermaßen verzaubert. Dieser Artikel beleuchtet die vielschichtigen Facetten der Weihnachtsfeiertage in Deutschland, von ihren historischen Wurzeln bis zu ihrer modernen Ausprägung.
Die Vorweihnachtszeit: Der Zauber des Advents
Die Weihnachtszeit beginnt in Deutschland nicht erst am 24. Dezember, sondern bereits mit dem ersten Advent, dem vierten Sonntag vor Weihnachten. Diese Wochen der Vorbereitung, des Wartens und der Erwartung sind geprägt von einer Reihe liebenswerter Traditionen, die die Vorfreude auf das eigentliche Fest steigern.
Eines der zentralen Symbole der Adventszeit ist der Adventskranz. Er besteht meist aus Tannenzweigen, die zu einem Kranz gebunden sind, und ist mit vier Kerzen bestückt. An jedem Adventssonntag wird eine weitere Kerze angezündet, was das allmähliche Näherkommen des Weihnachtsfestes symbolisiert. Der Adventskranz, oft liebevoll selbst gebunden oder gekauft, schmückt viele deutsche Wohnzimmer und ist ein Ort, an dem sich Familien am Sonntagnachmittag versammeln, um gemeinsam Kaffee zu trinken, Plätzchen zu essen und vielleicht Weihnachtslieder zu singen.
Ein weiteres Highlight für Kinder – und oft auch für Erwachsene – ist der Adventskalender. Hinter 24 Türchen verbergen sich kleine Überraschungen, Schokolade oder Bilder, die die Tage bis Heiligabend herunterzählen. Diese Tradition, die ihren Ursprung in Deutschland hat, macht das Warten greifbarer und versüßt die morgendliche Routine.
Unverzichtbar für die deutsche Vorweihnachtszeit sind die Weihnachtsmärkte. Sie haben eine lange Geschichte, die bis ins Spätmittelalter zurückreicht, und sind heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Von Ende November bis kurz vor Weihnachten verwandeln sich Marktplätze in festlich beleuchtete Märchenlandschaften. Der Duft von Glühwein, gebrannten Mandeln, Lebkuchen und Bratwürsten liegt in der Luft. An den Ständen werden handgefertigte Kunstwerke, Weihnachtsdekorationen, Spielzeug und regionale Spezialitäten angeboten. Weihnachtsmärkte sind nicht nur Orte des Konsums, sondern vor allem soziale Treffpunkte, wo Freunde und Familien zusammenkommen, um die festliche Atmosphäre zu genießen, zu plaudern und sich auf Weihnachten einzustimmen. Berühmte Märkte wie der Nürnberger Christkindlesmarkt oder der Dresdner Striezelmarkt ziehen jedes Jahr Millionen von Besuchern an.
Ein weiterer wichtiger Tag in der Adventszeit ist der Nikolaustag am 6. Dezember. Am Vorabend stellen Kinder ihre geputzten Stiefel oder Schuhe vor die Tür, in der Hoffnung, dass der Heilige Nikolaus sie über Nacht mit Süßigkeiten, kleinen Geschenken, Nüssen und Äpfeln füllt. Die Figur des Nikolaus, oft begleitet von Knecht Ruprecht (im Süden Deutschlands auch Krampus genannt), basiert auf dem historischen Bischof Nikolaus von Myra, der für seine Wohltätigkeit bekannt war.
Die Adventszeit ist auch die Hochsaison für das Plätzchenbacken. Familien versammeln sich in der Küche, um gemeinsam Vanillekipferl, Zimtsterne, Spekulatius und unzählige andere Sorten zu backen. Der Duft von frischem Gebäck erfüllt die Häuser und trägt maßgeblich zur gemütlichen Weihnachtsstimmung bei. Viele dieser Rezepte werden über Generationen weitergegeben und sind ein fester Bestandteil der familiären Tradition.
Der Höhepunkt der Feiertage: Heiligabend (24. Dezember)
Der 24. Dezember, Heiligabend, ist in Deutschland der wichtigste und emotionalste Tag der Weihnachtsfeierlichkeiten. Obwohl er kein offizieller Feiertag ist, haben die meisten Geschäfte nur bis zum frühen Nachmittag geöffnet, und viele Menschen nehmen sich frei, um die Vorbereitungen für den Abend zu treffen.
Im Mittelpunkt des Heiligabends steht der Weihnachtsbaum. Schon Tage zuvor wird er gekauft und oft erst am Nachmittag des 24. Dezembers im Kreis der Familie geschmückt. Der Weihnachtsbaum, eine Tradition, die im 16. Jahrhundert in Deutschland entstand und sich von dort aus weltweit verbreitete, ist meist eine Tanne oder Fichte, die mit Lichterketten, Kugeln, Lametta und oft auch mit echten Kerzen verziert wird. Unter dem Baum werden die Geschenke platziert.
Das Weihnachtsessen am Heiligabend variiert stark von Region zu Region und Familie zu Familie. Eine weit verbreitete Tradition, die auf die Fastenzeit vor Weihnachten zurückgeht, ist das einfache Gericht Würstchen mit Kartoffelsalat. In anderen Familien gibt es Karpfen oder eine festliche Weihnachtsgans oder Ente. Das Essen ist oft weniger opulent als am ersten Weihnachtsfeiertag, da der Fokus auf der Bescherung liegt.
Die Bescherung ist der Höhepunkt des Abends, besonders für die Kinder. In vielen Familien kommt der Weihnachtsmann oder das Christkind (insbesondere in Süddeutschland und Österreich) und bringt die Geschenke. Die Kinder warten gespannt, bis die Glocke läutet, die die Ankunft des Gabenbringers signalisiert. Nach dem Öffnen der Geschenke wird oft gemeinsam musiziert, Weihnachtslieder gesungen oder eine Weihnachtsgeschichte vorgelesen.
Für viele Familien gehört auch der Besuch der Christmette oder eines anderen Weihnachtsgottesdienstes am Heiligabend dazu. Diese späten Abend- oder Mitternachtsgottesdienste sind oft besonders stimmungsvoll und besinnlich, mit Kerzenschein, Krippenspielen und traditionellen Weihnachtsliedern.
Die Weihnachtstage: Erster und Zweiter Weihnachtstag (25. und 26. Dezember)
Der 25. und 26. Dezember sind offizielle Feiertage in Deutschland und werden ruhiger und besinnlicher gefeiert als der aufregende Heiligabend. Diese Tage sind traditionell der Familie und dem erweiterten Freundeskreis gewidmet.
Der Erste Weihnachtsfeiertag (25. Dezember) ist oft geprägt von einem ausgiebigen Festessen. Hier kommt meist der große Braten auf den Tisch: Gänsebraten, Entenbraten oder ein anderer festlicher Braten, begleitet von Klößen, Rotkohl und anderen Beilagen. Diese Mahlzeiten sind oft aufwendig zubereitet und werden in gemütlicher Atmosphäre genossen. Es ist eine Zeit, in der die Familie zusammenkommt, um gemeinsam zu essen, zu reden und die Gesellschaft des anderen zu genießen.
Der Zweite Weihnachtsfeiertag (26. Dezember), auch Stephanstag genannt, dient oft dazu, die restliche Verwandtschaft oder Freunde zu besuchen, die man am ersten Feiertag nicht sehen konnte. Es ist eine entspannte Zeit für Spaziergänge in der winterlichen Landschaft, für Spieleabende oder für den Besuch kultureller Veranstaltungen wie Weihnachtskonzerte oder Theateraufführungen. Viele Familien nutzen die Tage auch, um Märchenfilme im Fernsehen anzusehen oder einfach nur die Ruhe und Gemütlichkeit des Zusammenseins zu genießen. Die Weihnachtstage sind eine Zeit der Besinnung und des Innehaltens, fernab vom Trubel des Alltags.
Zwischen den Jahren: Silvester und Neujahr
Nach den Weihnachtsfeiertagen folgt eine kurze Übergangsphase, die umgangssprachlich als "zwischen den Jahren" bezeichnet wird und in den Silvesterabend und den Neujahrstag mündet.
Silvester (31. Dezember) ist in Deutschland ein Tag des Abschieds vom alten Jahr und der Begrüßung des neuen. Er wird oft ausgelassen gefeiert, mit Partys, Feuerwerk und traditionellen Bräuchen. Um Mitternacht wird das neue Jahr mit einem lauten Knall von Feuerwerkskörpern begrüßt, die den Himmel über den Städten und Dörfern erleuchten. Ein Glas Sekt gehört ebenso dazu wie das Anstoßen auf ein glückliches neues Jahr. Typische Silvesterbräuche sind das Bleigießen (oder Wachsgießen), bei dem geschmolzenes Blei (heute oft Wachs) in kaltes Wasser getaucht wird und die entstehenden Formen Aufschluss über die Zukunft geben sollen, sowie das Essen von Berlinern (Krapfen) oder Raclette/Fondue in geselliger Runde.
Der Neujahrstag (1. Januar) ist ein offizieller Feiertag und wird in der Regel ruhiger verbracht. Viele Menschen erholen sich von den Silvesterfeierlichkeiten, genießen ein spätes Frühstück und machen Pläne für das kommende Jahr. Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das live im Fernsehen übertragen wird, ist für viele ein fester Bestandteil des Neujahrsmorgens.
Der Ausklang: Heilige Drei Könige (6. Januar)
Die Weihnachtszeit findet in Deutschland ihren offiziellen Abschluss am Dreikönigstag, dem 6. Januar. Dieser Tag, der in einigen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt) ein gesetzlicher Feiertag ist, erinnert an die Heiligen Drei Könige, die dem Stern folgten, um das Jesuskind zu finden.
Der bekannteste Brauch an diesem Tag sind die Sternsinger. Kinder, verkleidet als die Heiligen Drei Könige, ziehen von Haus zu Haus, singen Lieder und sammeln Spenden für wohltätige Zwecke, oft für Projekte in Entwicklungsländern. Als Dank und Segen schreiben sie mit Kreide die Initialen C+M+B (Christus Mansionem Benedicat – Christus segne dieses Haus) und die Jahreszahl an die Türbalken. Mit dem Dreikönigstag werden vielerorts auch die Weihnachtsbäume abgeschmückt und die Weihnachtsdekorationen verstaut, um bis zum nächsten Advent auf ihre Wiederkehr zu warten.
Die Bedeutung von Weihnachten in Deutschland
Weihnachten in Deutschland ist ein Fest von immenser kultureller und sozialer Bedeutung. Es ist eine Zeit, in der die Familie im Mittelpunkt steht, Traditionen gepflegt und Werte wie Nächstenliebe, Besinnlichkeit und Gemeinschaft gelebt werden. Trotz zunehmender Kommerzialisierung und der Herausforderungen einer modernen, multikulturellen Gesellschaft bewahren die Deutschen ihre Weihnachtsbräuche mit großer Hingabe.
Die Weihnachtszeit ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der den Einzelhandel und den Tourismus ankurbelt. Doch jenseits des Konsums bleibt die tiefere Bedeutung erhalten: Weihnachten ist eine Zeit des Innehaltens, der Dankbarkeit und der Hoffnung. Es ist eine Gelegenheit, den Alltag hinter sich zu lassen, sich auf das Wesentliche zu besinnen und die Bindungen zu den Liebsten zu stärken. Die festliche Beleuchtung, die Düfte, die Musik und die gemeinsamen Rituale schaffen eine Atmosphäre, die in ihrer Wärme und Magie einzigartig ist und die Weihnachtsfeiertage in Deutschland zu einem unvergesslichen Erlebnis machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Weihnachten in Deutschland ein facettenreiches Fest ist, das religiöse Wurzeln mit jahrhundertealten Bräuchen und modernen Interpretationen verbindet. Es ist eine Zeit, die das ganze Land in einen Zustand der Freude und Besinnlichkeit versetzt und die Menschen zusammenbringt, um die Magie der Weihnachtszeit zu teilen.