Liebe Kinder, stellt euch vor, ihr würdet Weihnachten in einem anderen Land feiern! Würde es wohl genauso sein wie bei uns? Mit dem geschmückten Tannenbaum, dem Weihnachtsmann oder dem Christkind, das die Geschenke bringt? Nun, in Spanien ist vieles ganz anders – und auf eine ganz eigene Weise wunderschön und magisch! Begleitet mich auf eine spannende Reise durch die spanischen Weihnachtsbräuche, die oft bis in den Januar hinein dauern und voller Überraschungen stecken.
Die Vorfreude beginnt: Lichterglanz und Krippenzauber
Schon Wochen vor dem 24. Dezember beginnt in Spanien die festliche Stimmung. Die Städte und Dörfer verwandeln sich in ein Meer aus funkelnden Lichtern. Überall hängen bunte Lichterketten, die Straßen sind festlich geschmückt, und die Schaufenster der Geschäfte glitzern und laden zum Träumen ein. Es ist eine Zeit, in der die Vorfreude in der Luft liegt, auch wenn die Hauptgeschenke erst viel später kommen!
Ein ganz wichtiger Teil der spanischen Weihnachtstradition ist die „Belén“ – das ist die Krippe. Und wenn ich Krippe sage, meine ich nicht nur Maria, Josef und das Jesuskind! Spanische Krippen sind oft riesig und wunderschön detailreich gestaltet. Viele Familien bauen ihre eigene Krippe zu Hause auf, und das ist eine richtige Kunst. Manchmal sind es ganze Landschaften mit kleinen Häusern, Flüssen, Bergen, Schafen, Hirten und natürlich den Heiligen Drei Königen, die sich langsam auf den Weg zur Krippe machen. Es gibt sogar Krippenfiguren, die sich bewegen können, oder kleine Brunnen, aus denen echtes Wasser fließt! Manchmal findet man in einer spanischen Krippe auch eine ganz besondere Figur: den „Caganer“. Das ist ein kleiner Hirte, der gerade… nun ja, sein Geschäft verrichtet. Das mag für uns lustig oder sogar ein bisschen seltsam klingen, aber in Katalonien, einer Region in Spanien, ist er ein Glücksbringer und gehört einfach dazu!
Während die Krippen aufgebaut werden, füllen sich die Bäckereien mit dem Duft von süßen Leckereien. Überall gibt es „Turrón“, das ist eine Art Nougat aus Mandeln und Honig, der mal hart, mal weich ist. Und dann gibt es noch „Mazapán“ (Marzipan) und „Polvorones“ oder „Mantecados“, das sind kleine, mürbe Plätzchen, die auf der Zunge zergehen. Einfach köstlich!
Nochebuena – Der Heilige Abend in Spanien
Anders als bei uns ist der 24. Dezember, die „Nochebuena“ (die gute Nacht), in Spanien nicht der große Geschenkeabend. Es ist eher ein gemütliches Familienfest. Die ganze Familie kommt zusammen, oft bei den Großeltern, und es gibt ein riesiges Festessen. Und wenn ich riesig sage, meine ich riesig! Es gibt oft Meeresfrüchte wie Garnelen oder Hummer, gebratenes Lamm oder Fisch. Alle sitzen lange zusammen, lachen, erzählen Geschichten und singen „Villancicos“, das sind spanische Weihnachtslieder.
Nach dem Essen gehen viele Familien zur „Misa del Gallo“ – das ist die Mitternachtsmesse, die „Hahnenmesse“. Sie heißt so, weil der Hahn angeblich der Erste war, der die Geburt Jesu verkündet hat. Es ist eine feierliche und stimmungsvolle Messe, die oft mit viel Gesang und Freude gefeiert wird. Danach geht es wieder nach Hause, aber Geschenke gibt es meistens noch keine großen. Manchmal bekommen die Kinder eine Kleinigkeit, aber die Spannung auf die echten Geschenke bleibt erhalten.
Día de Navidad – Der Weihnachtstag
Der 25. Dezember, der „Día de Navidad“, ist in Spanien ein ruhigerer Tag. Nach dem großen Festessen am Vorabend verbringen die Familien den Tag entspannt zusammen. Man trifft sich vielleicht noch einmal zum Mittagessen, spielt zusammen oder macht einen Spaziergang. Es ist ein Tag der Ruhe und des Beisammenseins, ganz ohne den Stress des Geschenkeauspackens.
An diesem Tag fiebern viele Spanier auch einem ganz besonderen Ereignis entgegen: der Ziehung der „El Gordo“ – das ist die spanische Weihnachtslotterie. Sie ist die größte Lotterie der Welt und hat eine über 200 Jahre alte Tradition. Viele Menschen kaufen zusammen Lose, und wenn sie gewinnen, teilen sie sich den Gewinn. Es ist ein riesiges Spektakel, das stundenlang im Fernsehen übertragen wird, und die Gewinnzahlen werden von Schülern eines Internats singend verkündet. Auch wenn Kinder nicht mitspielen dürfen, ist die Aufregung und Hoffnung auf einen Gewinn in vielen Familien spürbar.
Nochevieja – Silvester mal anders: Die zwölf Glückstrauben!
Nach den Weihnachtstagen geht es in Spanien weiter mit den Festlichkeiten! Am 31. Dezember wird „Nochevieja“ gefeiert, unser Silvester. Auch hier kommt die Familie oder Freunde zusammen, um das alte Jahr zu verabschieden und das neue zu begrüßen. Und hier gibt es eine ganz besondere und lustige Tradition: die zwölf Glückstrauben!
Wenn die Uhr in der Silvesternacht die letzten zwölf Sekunden des alten Jahres schlägt, muss jeder genau in diesem Takt zwölf Weintrauben essen – eine für jeden Glockenschlag! Das ist gar nicht so einfach, denn man muss schnell sein, damit man nicht zu spät kommt. Wer es schafft, alle zwölf Trauben rechtzeitig zu essen, dem soll das neue Jahr Glück bringen. Es ist ein riesiger Spaß, wenn alle versuchen, die Trauben in den Mund zu bekommen, während die Glocken läuten. Danach wird mit Sekt angestoßen und das neue Jahr ausgelassen gefeiert.
Der absolute Höhepunkt: Los Reyes Magos – Die Heiligen Drei Könige!
Und jetzt kommt der Tag, auf den alle spanischen Kinder am meisten warten: der 6. Januar! Das ist der Tag der „Reyes Magos“, der Heiligen Drei Könige. In Spanien bringen nicht der Weihnachtsmann oder das Christkind die großen Geschenke, sondern die Heiligen Drei Könige: Melchior, Caspar und Balthasar.
Schon Wochen vorher schreiben die Kinder ihre Wunschzettel an die Könige. Manchmal werfen sie die Briefe in spezielle Briefkästen, die in den Städten aufgestellt werden, oder sie geben sie Boten, die die Könige schicken. Die Kinder überlegen genau, was sie sich wünschen, denn die Könige wissen ja, ob man das ganze Jahr über artig war!
Am Abend des 5. Januar, dem Vorabend des Dreikönigstags, ist die Aufregung riesig! In fast jeder Stadt und jedem Dorf gibt es eine riesige „Cabalgata de Reyes“ – einen Dreikönigsumzug. Und das ist kein kleiner Umzug, das ist ein Spektakel! Die Heiligen Drei Könige reiten auf wunderschön geschmückten Wagen oder Pferden durch die Straßen, begleitet von ihren Pagen, Musikern, Tänzern und vielen anderen fantastischen Figuren. Die Wagen sind oft riesig und bunt, mit Lichtern und Verzierungen. Und das Beste daran: Von den Wagen werfen die Könige und ihre Helfer Süßigkeiten in die Menge! Die Kinder stehen mit aufgeregten Gesichtern am Straßenrand, halten ihre Tüten und Beutel bereit und versuchen, so viele Bonbons wie möglich zu fangen. Es ist ein riesiges Fest mit viel Jubel, Musik und Gelächter.
Wenn die Kinder nach dem Umzug müde, aber glücklich nach Hause kommen, stellen sie ihre sauber geputzten Schuhe an ein Fenster, auf den Balkon oder unter den Weihnachtsbaum. Daneben stellen sie oft ein Glas Wasser für die durstigen Könige und etwas Heu oder Brot für ihre Kamele. Manchmal legen sie auch einen kleinen Wunschzettel oder eine Zeichnung dazu. Dann geht es ab ins Bett, aber das Einschlafen fällt schwer, denn die Spannung ist kaum auszuhalten!
Am Morgen des 6. Januar, wenn die Sonne aufgeht, stürmen die Kinder aus ihren Betten und rennen zu ihren Schuhen. Und siehe da! Die Schuhe sind nicht mehr leer! Stattdessen liegen dort die ersehnten Geschenke – Spielzeug, Bücher, Kleidung und viele andere schöne Dinge. Das Wasser und das Heu für die Kamele sind oft leer, was zeigt, dass die Könige und ihre Tiere wirklich da waren! Es ist ein Morgen voller Freude, Überraschungen und glücklicher Gesichter.
Zum Frühstück gibt es am Dreikönigstag dann noch eine weitere süße Tradition: den „Roscón de Reyes“. Das ist ein großer, runder Hefekuchen, der mit kandierten Früchten verziert ist und oft mit Sahne gefüllt wird. Aber Vorsicht beim Essen! Im Roscón sind zwei Dinge versteckt: eine kleine Figur (oft ein König oder ein Baby Jesus) und eine trockene Bohne. Wer die Figur in seinem Stück Kuchen findet, ist der König oder die Königin des Tages und darf eine Krone tragen! Wer aber die Bohne erwischt, muss den nächsten Roscón bezahlen. Das sorgt für viel Gelächter am Frühstückstisch!
Ein Fest der Familie und der Freude
Wie ihr seht, ist Weihnachten in Spanien eine lange und wunderschöne Zeit voller besonderer Bräuche. Es ist anders als bei uns, aber genauso magisch und voller Liebe. Es ist eine Zeit, in der die Familie im Mittelpunkt steht, in der viel gelacht, gesungen und natürlich lecker gegessen wird. Von den funkelnden Lichtern und den riesigen Krippen über die zwölf Glückstrauben an Silvester bis hin zum großen Finale mit den Heiligen Drei Königen – die spanischen Festtage sind ein unvergessliches Erlebnis.
Vielleicht habt ihr ja eines Tages die Möglichkeit, diese besondere Weihnachtszeit selbst in Spanien zu erleben. Ich bin sicher, ihr würdet sie lieben! Und wer weiß, vielleicht fangt ihr ja dann auch ein paar Süßigkeiten beim Dreikönigsumzug oder esst zwölf Trauben an Silvester. ¡Feliz Navidad y Felices Reyes! – Frohe Weihnachten und Frohe Dreikönige!