Weihnachten Ukraine Wann: Eine Nation im Wandel der Zeit und Identität

Weihnachten Ukraine Wann: Eine Nation im Wandel der Zeit und Identität

Die Frage „Wann ist Weihnachten in der Ukraine?“ mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, doch ihre Beantwortung ist heute komplexer und vielschichtiger denn je. Sie berührt nicht nur theologische und kalendarische Debatten, sondern spiegelt tiefgreifende historische Prozesse, nationale Identitätsfindung und die dramatischen Auswirkungen des Krieges wider. Was einst eine feste Größe im Jahreslauf war, ist in der Ukraine zu einem Symbol des Wandels, der Abgrenzung und der Hinwendung zu Europa geworden.

Der historische Kontext: Julianischer und Gregorianischer Kalender

Um die Dynamik der Weihnachtsdaten in der Ukraine zu verstehen, ist ein Blick auf die Geschichte der Kalender unerlässlich. Die meisten westlichen Kirchen, darunter die römisch-katholische und die protestantischen Konfessionen, feiern Weihnachten am 25. Dezember nach dem Gregorianischen Kalender. Dieser Kalender wurde 1582 von Papst Gregor XIII. eingeführt, um Ungenauigkeiten des älteren Julianischen Kalenders zu korrigieren, der von Julius Cäsar im Jahr 45 v. Chr. etabliert worden war. Der Julianische Kalender ist über die Jahrhunderte hinweg immer ungenauer geworden, insbesondere in Bezug auf die Bestimmung des Osterdatums.

Die Mehrheit der orthodoxen Kirchen, darunter lange Zeit auch die größte orthodoxe Kirche in der Ukraine (die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, UOK-MP), hält jedoch weiterhin am Julianischen Kalender fest. Für sie fällt der 25. Dezember des Julianischen Kalenders auf den 7. Januar des Gregorianischen Kalenders. Dies erklärt, warum in vielen orthodox geprägten Ländern, einschließlich Russlands, Serbiens und bis vor Kurzem auch der Ukraine, Weihnachten traditionell am 7. Januar gefeiert wurde. Eine Ausnahme bilden einige orthodoxe Kirchen, wie die Griechisch-Orthodoxe Kirche, die sich bereits im 20. Jahrhundert dem sogenannten „Neujulianischen Kalender“ angeschlossen haben, der für die festen Feiertage mit dem Gregorianischen Kalender übereinstimmt, das Osterdatum aber weiterhin nach orthodoxer Tradition berechnet.

Die Ukraine vor dem Krieg: Eine Koexistenz der Daten

Vor der umfassenden russischen Invasion im Februar 2022 war die religiöse Landschaft der Ukraine komplex und vielfältig. Die größte Konfession war die Orthodoxie, die sich in verschiedene Jurisdiktionen aufteilte, darunter die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchat), die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats (bis zu ihrer Auflösung 2018) und die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche (bis zu ihrer Auflösung 2018). Im Jahr 2018/2019 entstand die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) durch die Vereinigung der beiden letztgenannten Kirchen und erhielt 2019 die Autokephalie (Selbstverwaltung) vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel.

Neben der Orthodoxie gab es eine bedeutende Gemeinschaft der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK), die den byzantinischen Ritus pflegt, aber in voller Gemeinschaft mit dem Papst in Rom steht. Hinzu kamen römisch-katholische Gemeinden sowie verschiedene protestantische Kirchen.

In dieser vielschichtigen Landschaft wurde Weihnachten überwiegend am 7. Januar gefeiert, da dies der traditionelle Termin für die meisten orthodoxen Gläubigen war und auch als staatlicher Feiertag galt. Nichtsdestotrotz feierten die römisch-katholischen Gemeinden und viele Protestanten bereits am 25. Dezember. Für die Griechisch-Katholische Kirche war die Situation uneinheitlicher; einige Gemeinden feierten bereits am 25. Dezember, andere am 7. Januar, oft in Abstimmung mit den lokalen orthodoxen Gemeinden. Es war eine Koexistenz, bei der der 7. Januar jedoch die dominierende und öffentlich anerkannte Weihnachtsfeier darstellte.

Der Krieg als Katalysator für den Wandel

Die russische Aggression gegen die Ukraine, insbesondere die umfassende Invasion von 2022, hat wie ein Brandbeschleuniger auf die Debatte um das Weihnachtsdatum gewirkt. Der Wunsch nach einer klaren Abgrenzung von Russland und allem, was mit dem „russischen Mir“ (russische Welt) assoziiert wird, hat sich in allen Bereichen des ukrainischen Lebens manifestiert – von der Sprache über die Kultur bis hin zur Religion.

Die Bindung an den Julianischen Kalender wurde zunehmend als ein Relikt der russischen und sowjetischen Vergangenheit wahrgenommen, das die Ukraine kulturell und religiös an Moskau kettete. Die Umstellung auf den Gregorianischen Kalender (oder genauer, den Neujulianischen Kalender für die festen Feiertage) wurde zu einem symbolträchtigen Schritt in Richtung einer europäischen Identität und einer vollständigen Loslösung von russischen Einflüssen. Es war ein Ausdruck des Bestrebens, sich in die europäische Familie zu integrieren, nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell und religiös.

Die offizielle Entscheidung und ihre Umsetzung im Jahr 2023

Angesichts dieser Stimmung und der anhaltenden Diskussionen vollzog die Ukraine im Jahr 2023 einen historischen Schritt. Am 28. Juli 2023 unterzeichnete Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz, das den 25. Dezember offiziell zum staatlichen Weihnachtsfeiertag erklärt und den 7. Januar als Feiertag abschafft. Diese Entscheidung war das Ergebnis einer Entwicklung, die bereits vor dem Krieg an Fahrt aufgenommen hatte, aber durch die Invasion massiv beschleunigt wurde.

Dieser staatlichen Entscheidung gingen wichtige Beschlüsse der großen Kirchen voraus:

  1. Die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU): Im Mai 2023 beschloss die OKU, ab dem 1. September 2023 (dem Beginn des neuen Kirchenjahres) auf den Neujulianischen Kalender umzustellen. Dies bedeutet, dass alle festen Feiertage, einschließlich Weihnachten, fortan nach dem Gregorianischen Kalender gefeiert werden. Damit feierte die OKU Weihnachten erstmals am 25. Dezember 2023.
  2. Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK): Bereits im Februar 2023 hatte die UGKK eine ähnliche Entscheidung getroffen und angekündigt, ab September 2023 ebenfalls auf den Neujulianischen Kalender umzustellen.

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Umstellung für die Gläubigen der OKU und UGKK keine theologische Revolution darstellt. Die theologische Berechnung des Osterdatums bleibt unverändert und folgt weiterhin der orthodoxen Tradition, die sich von der westlichen unterscheidet. Es geht ausschließlich um die festen Feiertage, die nun mit dem westlichen Kalender synchronisiert werden.

Die Auswirkungen auf die ukrainische Gesellschaft

Die Kalenderreform hat weitreichende Auswirkungen auf das gesellschaftliche und private Leben in der Ukraine.

  • Doppelte Feiern: Für viele Familien, in denen Mitglieder unterschiedlichen Konfessionen angehören oder einfach aus Gewohnheit, könnte es vorübergehend zu „doppelten“ Weihnachtsfeiern kommen – einmal am 25. Dezember und möglicherweise noch einmal am 7. Januar, auch wenn letzterer kein offizieller Feiertag mehr ist. Dies ist eine Übergangsphase, die Zeit braucht, um sich zu etablieren.
  • Traditionsbruch und Anpassung: Die Umstellung bedeutet für viele einen Bruch mit liebgewonnenen Traditionen und Gewohnheiten. Das ukrainische Weihnachtsfest am 7. Januar war tief in der Kultur verwurzelt, mit spezifischen Bräuchen wie dem Heiligen Abend (Sviata Vecherya) mit 12 fleischlosen Gerichten, dem Sternsingerbrauch (Koliady) und der traditionellen Dekoration. Diese Bräuche werden nun auf den 25. Dezember verlegt, was eine Anpassung erfordert.
  • Widerstand und Spaltung: Nicht alle Kirchen und Gläubigen haben die Umstellung vollzogen. Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchat), die immer noch eine große Anzahl von Gemeinden und Gläubigen zählt, hat sich größtenteils gegen die Umstellung ausgesprochen und feiert weiterhin am 7. Januar. Dies verstärkt die bereits bestehenden Spannungen und Spaltungen innerhalb der ukrainischen Orthodoxie und der Gesellschaft insgesamt. Für die UOK-MP ist die Beibehaltung des Julianischen Kalenders oft ein Zeichen der Treue zur orthodoxen Tradition und eine Abgrenzung von westlichen Einflüssen.
  • Symbolische Bedeutung: Die Entscheidung, Weihnachten am 25. Dezember zu feiern, ist weit mehr als eine Kalenderkorrektur. Sie ist eine Manifestation des ukrainischen Wunsches nach Selbstbestimmung und Zugehörigkeit zu Europa. Inmitten des Krieges ist es ein Akt der kulturellen Souveränität und des Widerstands gegen die russische Aggression, die oft auch eine religiöse Dimension hat. Es ist ein klares Signal, dass die Ukraine ihren eigenen Weg geht, abseits des russischen Einflusses.

Weihnachten im Krieg: Eine neue Bedeutung

Unabhängig vom Datum hat Weihnachten in der Ukraine während des Krieges eine noch tiefere und oft schmerzlichere Bedeutung erlangt. Die festliche Stimmung wird überschattet von der ständigen Bedrohung durch Angriffe, der Trauer um Verlorene und der Sorge um die Zukunft.

  • Resilienz und Hoffnung: Trotz der Umstände versuchen die Ukrainer, das Weihnachtsfest als Quelle der Hoffnung und des Trostes zu bewahren. Es ist eine Zeit, in der die Familien zusammenkommen, wenn auch oft unter schwierigen Bedingungen oder in der Ferne, um sich gegenseitig zu stärken.
  • Solidarität: Die Weihnachtszeit wird auch genutzt, um Solidarität mit den Verteidigern des Landes und den Opfern des Krieges zu zeigen. Spendenaktionen, Besuche an der Front und Unterstützung für Vertriebene sind oft Teil der Weihnachtsaktivitäten.
  • Ein Zeichen des Lebens: Das Feiern von Weihnachten, selbst unter Beschuss, ist ein Akt des Trotzes und ein Zeichen dafür, dass das Leben weitergeht und die ukrainische Nation nicht gebrochen werden kann.

Ausblick: Eine neue Tradition entsteht

Die Frage „Wann ist Weihnachten in der Ukraine?“ wird sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Es ist unwahrscheinlich, dass der 7. Januar als inoffizieller Feiertag sofort vollständig verschwindet, insbesondere in Regionen mit einer starken Präsenz der UOK-MP oder bei älteren Generationen, die an die Tradition gewöhnt sind. Doch die Tendenz ist klar: Die Ukraine bewegt sich weg vom Julianischen Kalender für feste Feiertage und hin zu einer Angleichung an den Großteil Europas.

Diese Kalenderreform ist ein weiteres Mosaiksteinchen in der komplexen und oft schmerzhaften Transformation der Ukraine. Sie ist ein Symbol für den tiefgreifenden Prozess der Entkolonialisierung und der Stärkung der nationalen Identität. Weihnachten am 25. Dezember zu feiern, ist für viele Ukrainer nicht nur eine kalendarische Anpassung, sondern eine bewusste Entscheidung für eine europäische Zukunft, in der die Ukraine ihren Platz als unabhängige, souveräne und kulturell eigenständige Nation einnimmt. Die Antwort auf die Frage „Wann?“ ist somit nicht nur ein Datum, sondern eine Geschichte von Wandel, Widerstand und der unerschütterlichen Hoffnung einer Nation.

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