Weihnachten in Russland Bilder: Ein Fest der Kontraste und Wiederentdeckungen
Wenn wir an Weihnachten denken, erscheinen vor unserem inneren Auge oft Bilder von verschneiten Landschaften, warm beleuchteten Fenstern, geschmückten Tannenbäumen und dem Glanz von Kerzenlicht. Doch die Bilder, die sich mit Weihnachten in Russland verbinden, sind von einer ganz eigenen, faszinierenden Natur – geprägt von tiefer Orthodoxie, einer bewegten Geschichte und einer einzigartigen Mischung aus Tradition und Moderne. Es ist ein Fest, das nicht nur zeitlich, sondern auch in seiner kulturellen Ausprägung von der westlichen Weihnacht abweicht und doch universelle Botschaften von Familie, Glaube und Hoffnung in sich trägt.
Die Zeitliche Verschiebung: Kalender und Glaube
Das erste und vielleicht prägendste Bild, das sich bei der Betrachtung von Weihnachten in Russland einstellt, ist das des Datums: Während der Großteil der westlichen Welt am 24. und 25. Dezember die Geburt Christi feiert, begeht die russisch-orthodoxe Kirche Weihnachten am 7. Januar. Diese Verschiebung ist auf die Beibehaltung des Julianischen Kalenders durch die Kirche zurückzuführen, während der Staat und die meisten anderen Länder den Gregorianischen Kalender übernommen haben. Dieses Datum ist mehr als nur eine Zahl; es ist ein Symbol für die Beständigkeit der orthodoxen Traditionen und die tiefe Verwurzelung des Glaubens in der russischen Gesellschaft.
Die Wochen vor dem 7. Januar sind geprägt vom sogenannten Weihnachtsfasten (Рождественский пост, Roschdestwenski post), einer Zeit der spirituellen Reinigung und Besinnung, die 40 Tage dauert und den Verzicht auf Fleisch, Milchprodukte und Eier vorsieht. Dieses Fasten gipfelt am Heiligen Abend, dem 6. Januar, an dem traditionell bis zum ersten Stern am Himmel keine feste Nahrung zu sich genommen wird. Die Bilder dieses Abends sind geprägt von Erwartung und Andacht, oft in den eigenen vier Wänden, wo die Familie zusammenkommt, um die Ankunft des Erlösers zu erwarten.
Die Sowjetische Ära: Stille Nacht, Verbotenes Fest?
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat die Bilder von Weihnachten in Russland dramatisch verändert. Nach der Oktoberrevolution von 1917 wurde die Religion unterdrückt, und kirchliche Feiertage, einschließlich Weihnachten, wurden verboten oder stark eingeschränkt. Die Kirchen wurden geschlossen, Geistliche verfolgt, und öffentliche religiöse Feiern waren undenkbar. Doch selbst in dieser Zeit verschwand das Fest nicht vollständig aus dem Bewusstsein der Menschen. Es zog sich ins Private zurück, wurde im Geheimen gefeiert, oft hinter verschlossenen Türen, als stiller Akt des Widerstands und der Bewahrung der eigenen Identität.
Um die Lücke der Winterfeiertage zu füllen und eine säkulare Alternative zu schaffen, wurde das Neujahrsfest (Новый год, Nowy God) zur zentralen Winterfeierlichkeit erhoben. Die Bilder, die sich in dieser Zeit entwickelten, waren die von üppig geschmückten Tannenbäumen (der „Neujahrs-Tanne“, Nowogodnjaja Jolka), die nicht mehr als christliches Symbol, sondern als Zeichen des neuen Jahres und des Wohlstands dienten. Der Weihnachtsmann wurde durch Väterchen Frost (Дед Мороз, Ded Moros) ersetzt, begleitet von seiner Enkelin Snegurotschka (Снегурочка, das Schneemädchen). Diese Figuren brachten die Geschenke in der Silvesternacht, und ihre Bilder – oft auf Postkarten und Spielzeug zu sehen – wurden zu Ikonen der sowjetischen Kindheit. Die Neujahrsfeier wurde zu einem Fest der Familie, des Überflusses und der kollektiven Freude, das die religiösen Konnotationen geschickt umging, aber dennoch viele Elemente der traditionellen Weihnacht beibehielt.
Die Wiedergeburt der Traditionen: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Wiederbelebung der Religionsfreiheit erlebte Weihnachten in Russland eine bemerkenswerte Wiedergeburt. Die Kirchen öffneten wieder ihre Tore, und die orthodoxen Traditionen kehrten ins öffentliche Leben zurück. Die Bilder dieser Zeit sind geprägt von einer Mischung aus Erleichterung, Wiederentdeckung und dem Versuch, alte Bräuche neu zu beleben.
Heute existieren beide Feste – Neujahr und Weihnachten – nebeneinander, oft in einer faszinierenden Symbiose. Das Neujahrsfest behält seinen Status als größtes und ausgelassenstes Familienfest bei, während Weihnachten zunehmend als spiritueller und besinnlicher Feiertag an Bedeutung gewinnt. Für viele Russen ist der Zeitraum vom Neujahr bis zum orthodoxen Weihnachtsfest eine lange Feiertagsperiode, die Gelegenheit bietet, sowohl ausgelassen zu feiern als auch innezuhalten und den Glauben zu pflegen.
Visuelle Eindrücke: Was die "Bilder" erzählen
Die "Bilder" von Weihnachten in Russland sind vielfältig und erzählen eine reiche Geschichte:
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Die Pracht der Kirchen: Ein zentrales Bild ist die russisch-orthodoxe Kirche selbst. In der Weihnachtsnacht, dem 6. auf den 7. Januar, füllen sich die Kathedralen und Kirchen im ganzen Land mit Gläubigen. Die goldenen Zwiebeltürme der Kirchen, oft von Neuschnee bedeckt, leuchten im winterlichen Licht. Im Inneren herrscht eine feierliche Atmosphäre: Tausende von Kerzen tauchen die Ikonostase und die Fresken in ein warmes, goldenes Licht. Der Duft von Weihrauch erfüllt den Raum, während die tiefen Bässe der orthodoxen Gesänge die Luft erfüllen. Die Menschen stehen dicht gedrängt, viele halten Kerzen in den Händen, und ihre Gesichter spiegeln Andacht und tiefe Spiritualität wider. Es ist ein Bild von zeitloser Schönheit und tiefer Gläubigkeit.
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Winterlandschaften und Stadtansichten: Weihnachten in Russland ist untrennbar mit dem Winter verbunden. Die Bilder sind oft von tief verschneiten Landschaften geprägt, von zugefrorenen Flüssen und Seen, von Bäumen, deren Äste unter der Last des Schnees biegen. Die Städte, insbesondere Moskau und Sankt Petersburg, verwandeln sich in magische Winterwunderländer. Straßen und Plätze sind mit Tausenden von Lichtern geschmückt, die in den Eiskristallen glitzern. Eisskulpturen, oft riesengroß und kunstvoll, schmücken die Parks und öffentlichen Bereiche, und Weihnachtsmärkte bieten traditionelle Handwerkskunst und winterliche Leckereien an. Diese Bilder strahlen eine kühle Eleganz und eine festliche Atmosphäre aus, die typisch für den russischen Winter ist.
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Familienfeste und Heimeligkeit: Hinter den festlich beleuchteten Fenstern spielen sich die intimen Bilder des Familienlebens ab. Am Heiligen Abend, dem 6. Januar, versammelt sich die Familie zum traditionellen Abendessen, das aus zwölf fleischlosen Gerichten besteht – symbolisch für die zwölf Apostel. Das zentrale Gericht ist Kutja (Кутья), ein Brei aus Weizen oder Reis mit Honig, Mohn und Nüssen, der die Hoffnung auf Fruchtbarkeit und Wohlstand symbolisiert. Die Bilder dieser Mahlzeiten sind geprägt von Wärme, Gemeinschaft und der Weitergabe von Traditionen. Später am Abend, nach dem Kirchgang, werden oft Geschenke ausgetauscht, auch wenn das Hauptgeschenke-Ritual oft schon an Neujahr stattgefunden hat. Der Weihnachtsbaum, die Jolka, ist auch hier oft festlich geschmückt, nicht nur mit modernen Kugeln, sondern auch mit traditionellen russischen Ornamenten.
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Väterchen Frost und Snegurotschka: Auch wenn sie primär mit Neujahr assoziiert werden, sind die Bilder von Väterchen Frost und Snegurotschka untrennbar mit der russischen Winterfestzeit verbunden. Väterchen Frost, oft in einem langen blauen oder roten Mantel, mit einem langen weißen Bart und einem Stab, der die Kälte symbolisiert, ist eine majestätische Figur. Snegurotschka, seine zarte Enkelin, in einem hellblauen oder weißen Gewand, ist seine ständige Begleiterin. Ihre Bilder sind auf Spielzeug, Postkarten und in Kinderbüchern allgegenwärtig und prägen die Vorstellung von der russischen Wintermagie.
Kulinarische Genüsse und Rituale
Die kulinarischen Bilder Russlands zur Weihnachtszeit sind ebenso reichhaltig wie seine Geschichte. Neben der bereits erwähnten Kutja gehören zum Weihnachtsessen oft Gerichte wie Usvar (Узвар), ein Kompott aus getrockneten Früchten, Blini (Блины) mit verschiedenen Füllungen, vegetarische Piroggen und eine Vielzahl von eingelegtem Gemüse. Nach dem Fasten am Heiligen Abend sind die Tische am 7. Januar oft reichlich mit Fleischgerichten wie gebratenem Gans oder Schweinebraten, Salaten und Süßigkeiten gedeckt. Diese Mahlzeiten sind nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern ein Ausdruck von Gastfreundschaft, Überfluss und der Freude über die Ankunft Christi.
Fazit: Ein Mosaik aus Traditionen
Die Bilder von Weihnachten in Russland sind ein faszinierendes Mosaik aus tief verwurzelten orthodoxen Traditionen, den Spuren einer säkularen Vergangenheit und dem Glanz einer wiederentdeckten Spiritualität. Sie erzählen von einem Fest, das seine eigene Zeit hat, seine eigenen Figuren und seine eigenen Rituale. Es ist ein Fest, das in der Stille der Kirchen beginnt und in der Wärme der Familienhäuser fortgesetzt wird, umgeben von der majestätischen Schönheit des russischen Winters.
Wer Weihnachten in Russland erlebt, taucht ein in eine Welt voller Kontraste: die Strenge des Fastens und die Üppigkeit des Festmahls, die Feierlichkeit der Gottesdienste und die ausgelassene Freude der Familienfeste, die historische Unterdrückung und die heutige Wiederbelebung. All diese Elemente fügen sich zu einem einzigartigen und unvergesslichen Bild zusammen, das die Seele Russlands in ihrer ganzen Tiefe und Schönheit widerspiegelt. Es ist ein Weihnachten, das nicht nur gefeiert, sondern auch gefühlt und gelebt wird, ein Fest, das in seinen Bildern die Geschichte, den Glauben und die Hoffnung eines ganzen Volkes vereint.