Wenn die Tage im hohen Norden kürzer werden und die Dunkelheit die Landschaft einhüllt, erwacht in Schweden eine ganz besondere Magie: Weihnachten, oder „Jul“, wie es dort genannt wird. Es ist eine Zeit, in der uralte heidnische Traditionen, christliche Bräuche und moderne Rituale zu einem einzigartigen Fest der Gemeinschaft, des Lichts und der Hoffnung verschmelzen. Die Symbole des schwedischen Weihnachtsfestes sind tief in der Geschichte und Natur des Landes verwurzelt und erzählen Geschichten von Licht in der Dunkelheit, von Fruchtbarkeit und von der Freude des Beisammenseins. Dieser Artikel taucht ein in die faszinierende Welt der schwedischen Weihnachtssymbole und beleuchtet ihre Bedeutung und ihren Ursprung.
Die Sehnsucht nach Licht: Der Adventsstern und Lucia
Eines der prägnantesten Symbole, das in jedem schwedischen Fenster leuchtet, sobald der Advent beginnt, ist der Adventsstjärna (Adventsstern). Oft aus Papier gefertigt, strahlt er in warmem Licht und ist ein weithin sichtbares Zeichen der Vorfreude auf Weihnachten. Seine Ursprünge liegen im deutschen Herrnhuter Stern, doch in Schweden hat er sich zu einem eigenständigen, allgegenwärtigen Weihnachtssymbol entwickelt. Er symbolisiert nicht nur den Stern von Bethlehem, sondern auch die allgemeine Sehnsucht nach Licht in der langen, dunklen Winterzeit des Nordens. Jedes Fenster, das einen leuchtenden Stern beherbergt, sendet eine Botschaft der Hoffnung und Gemütlichkeit aus.
Eng verbunden mit dem Licht ist das vielleicht bekannteste schwedische Weihnachtssymbol überhaupt: die Heilige Lucia. Am 13. Dezember, dem Luciatag, wird in ganz Schweden das Lichterfest gefeiert. Die Tradition geht auf die Heilige Lucia von Syrakus zurück, vermischt sich aber in Schweden mit älteren nordischen Wintersonnenwendritualen. Die Lucia-Prozession, angeführt von einem Mädchen, das eine Krone aus Kerzen auf dem Kopf trägt, gefolgt von ihren Begleiterinnen (tärnor) mit Kerzen in den Händen und Sternenjungen (stjärngossar), ist ein unvergesslicher Anblick. Die weiße Kleidung, die grünen Kränze und vor allem das warme Kerzenlicht symbolisieren das Durchbrechen der Dunkelheit und die Ankunft des Lichts. Dazu werden traditionelle Lieder gesungen, und es werden Lussekatter (Safranbrötchen in S-Form) und Glögg (skandinavischer Glühwein) gereicht. Lucia ist mehr als nur ein religiöses Fest; sie ist ein nationales Symbol für Hoffnung, Wärme und Gemeinschaft in der dunkelsten Zeit des Jahres.
Der Julbock: Vom Fruchtbarkeitssymbol zum Strohziegen-Dekor
Ein weiteres einzigartiges und faszinierendes Symbol der schwedischen Weihnacht ist der Julbock (Jul-Ziegenbock). Seine Geschichte reicht weit zurück in die vorchristliche Zeit und ist eng mit der nordischen Mythologie verbunden. Ursprünglich war der Ziegenbock ein Symbol für Fruchtbarkeit und Ernte, oft assoziiert mit Thors Ziegenböcken Tanngnjóstr und Tanngrisnir, die seinen Wagen zogen. In älteren Traditionen war der Julbock sogar der Überbringer von Geschenken, bevor diese Rolle vom Tomte übernommen wurde.
Heute ist der Julbock vor allem ein beliebtes Weihnachtsdekorationsstück, meist aus Stroh gefertigt. Er steht oft unter dem Weihnachtsbaum oder schmückt öffentliche Plätze. Der berühmteste Julbock ist der riesige Gävlebocken, der jedes Jahr in Gävle aufgestellt wird und oft Opfer von Brandanschlägen wird – ein eigenwilliges, modernes Ritual, das seine Popularität nur noch steigert. Die Strohziege symbolisiert die Verbindung zur Natur, zur Landwirtschaft und zu den alten Bräuchen, die auch in der modernen schwedischen Weihnacht lebendig bleiben.
Der Tomte: Der Wächter des Hofes und Geschenkebringer
Kein schwedisches Weihnachtsfest wäre komplett ohne den Tomte. Ursprünglich war der Tomte ein kleiner, bärtiger Hausgeist oder Wichtel, der auf dem Bauernhof lebte und über Haus und Hof wachte. Er war eine Art Schutzpatron, der die Tiere und das Land beschützte, solange man ihn gut behandelte und ihm zum Beispiel eine Schale Reisbrei (Risgrynsgröt) zu Weihnachten bereitstellte. Wenn man ihn verärgerte, konnte er auch Unheil bringen.
Im Laufe der Zeit, insbesondere unter dem Einfluss des deutschen Weihnachtsmanns und des amerikanischen Santa Claus, entwickelte sich der Tomte zum Jultomte, dem schwedischen Weihnachtsmann. Er trägt einen roten Anzug, hat einen langen weißen Bart und bringt am Heiligabend die Geschenke. Im Gegensatz zum deutschen Weihnachtsmann, der oft ungesehen bleibt, klopft der Jultomte in Schweden oft persönlich an die Tür und fragt: „Finns det några snälla barn här?“ (Gibt es hier brave Kinder?). Diese persönliche Interaktion macht den Jultomte zu einem besonders lebendigen und greifbaren Symbol der Weihnacht. Er verkörpert die Wärme, die Großzügigkeit und die Freude des Schenkens und des familiären Beisammenseins.
Das Julbord: Ein Fest der Fülle und Gemeinschaft
Das Julbord (Weihnachtstisch) ist kein einzelnes Symbol, sondern ein Ensemble aus kulinarischen Traditionen, das die Fülle und den Überfluss der Weihnachtszeit symbolisiert. Es ist ein opulentes Buffet, das am Heiligabend (Julafton) und oft auch an den Weihnachtsfeiertagen serviert wird und eine zentrale Rolle im schwedischen Weihnachtsfest spielt. Das Julbord ist eine Mischung aus kalten und warmen Speisen, die über Generationen weitergegeben wurden.
Zu den wichtigsten Bestandteilen gehören:
- Julskinka: Ein gesalzener und gekochter Weihnachtsschinken, oft mit Senf und Semmelbröseln überbacken. Er ist das Herzstück des Julbords und symbolisiert die Festlichkeit und den Reichtum.
- Sill: Verschiedene Heringseinlagen, wie Senfhering, Zwiebelhering oder Matjeshering. Der Hering war früher ein Grundnahrungsmittel und ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil des Julbords, der die Verbindung zur maritimen Tradition Schwedens darstellt.
- Lax: Geräucherter, gebeizter oder gekochter Lachs, ein weiteres Symbol für die reichen Fischgründe Schwedens.
- Köttbullar: Die berühmten schwedischen Fleischbällchen, die bei Jung und Alt beliebt sind und für Gemütlichkeit und Tradition stehen.
- Prinskorv: Kleine Würstchen.
- Janssons frestelse: Ein cremiger Kartoffelauflauf mit Anchovis, der eine besondere Würze verleiht.
- Risgrynsgröt: Ein Milchreis, der oft als Dessert serviert wird. Eine besondere Tradition ist es, eine Mandel im Brei zu verstecken. Wer sie findet, soll im kommenden Jahr Glück haben oder heiraten. Dies symbolisiert Hoffnung und spielerische Vorfreude.
Begleitet wird das Julbord von Julmust, einem speziellen Weihnachtsgetränk, das wie ein Malzbier schmeckt und nur zur Weihnachtszeit erhältlich ist, sowie von Glögg und verschiedenen Schnäpsen. Das Julbord ist mehr als nur Essen; es ist ein Ritual, das Familie und Freunde zusammenbringt, die Fülle des Lebens feiert und die Gemütlichkeit (mysighet) der Weihnachtszeit unterstreicht.
Dekorationen: Stroh, Holz und die Farben Rot und Weiß
Die schwedische Weihnachtsdekoration ist geprägt von natürlichen Materialien und einer klaren Farbpalette, die die Verbundenheit mit der Natur und die Einfachheit des skandinavischen Designs widerspiegelt.
- Stroh: Neben dem Julbock werden viele weitere Dekorationen aus Stroh gefertigt, wie Sterne, Herzen oder kleine Figuren. Stroh symbolisiert die Ernte, Fruchtbarkeit und die Verbindung zur ländlichen Vergangenheit.
- Holz: Holzfiguren, Kerzenständer und Ornamente sind ebenfalls weit verbreitet und unterstreichen die natürliche Ästhetik.
- Farben: Die dominanten Farben sind Rot und Weiß. Rot steht für Wärme, Liebe und die Beeren des Winters, während Weiß für Schnee, Reinheit und das Licht steht. Goldene Akzente bringen Festlichkeit und Glanz.
- Kerzen: Überall brennen Kerzen – in den Fenstern, auf den Tischen, am Weihnachtsbaum. Sie sind das wichtigste Symbol für Licht und Wärme in der dunklen Jahreszeit und schaffen eine unvergleichlich gemütliche Atmosphäre.
- Julgran (Weihnachtsbaum): Obwohl der Weihnachtsbaum eine relativ späte Ergänzung der schwedischen Weihnachtstradition ist (beeinflusst aus Deutschland), ist er heute ein zentrales Element. Geschmückt mit Kerzen, Kugeln, Strohsternen und schwedischen Flaggen, ist er der Mittelpunkt des Weihnachtsabends.
Zusammenfassung und Fazit
Die schwedische Weihnacht ist ein faszinierendes Geflecht aus alten heidnischen Bräuchen, christlichen Traditionen und modernen Interpretationen. Die Symbole – vom leuchtenden Adventsstern und der lichtbringenden Lucia über den archaischen Julbock und den freundlichen Jultomte bis hin zum überreichen Julbord und den natürlichen Dekorationen – erzählen alle eine Geschichte. Es ist die Geschichte einer Nation, die die lange, dunkle Winterzeit mit Licht, Wärme, Gemeinschaft und einer tiefen Verbundenheit zur Natur begegnet.
Jedes Symbol trägt dazu bei, die einzigartige Atmosphäre des schwedischen Jul zu schaffen: eine Mischung aus Mystik, Gemütlichkeit und festlicher Freude. Es ist ein Fest, das die Bedeutung von Familie, Tradition und der Hoffnung auf das wiederkehrende Licht zelebriert. Weihnachten in Schweden ist nicht nur eine Zeit des Feierns, sondern auch eine tiefe kulturelle Erfahrung, die die Seele des Nordens widerspiegelt. Es ist ein Lichterfest, das die Dunkelheit vertreibt und die Herzen erwärmt.